Veranstaltung: | 1. Landesmitgliederversammlung Grüne Jugend Brandenburg |
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Tagesordnungspunkt: | 3.2. Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Danilo Zoschnik |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 18.02.2017, 15:47 |
Themenbereich: | Verschiedenes |
Antragshistorie: | Version 1(18.02.2017) Version 1(19.02.2017) |
V3: Liberale Drogenpoltik - Mündige Bürger*innen, helfender Staat
Antragstext
Die GRÜNE JUGEND BRANDENBURG fordert eine liberalere, verantwortungsvolle
Drogenpolitik, frei von Ideologie, im Zeichen einer „Harm Reduction“. Längst ist
ein Konzept überfällig, das Selbstbestimmung, Mündigkeit, Reflexion und vor
allem sachliche Informationen in den Mittelpunkt stellt.
Zur Beendigung einer verheerenden Drogenpolitik, die Konsument*innen mit Willkür
moralisch, wie gesetzlich stigmatisiert, ohne dabei ebendiese Formen der
Stigmatisierung und ihre Folgen, sowie den Schwarzmarkt, als tatsächlich größte
Gefahren eines eigenverantwortlichen und integrativen Konsums zu erkennen,
fordert die GRÜNE JUGEND BRANDENBURG:
Die Brandenburger Landesregierung soll die Forderung des Berliner
Koalitionsvertrages hinsichtlich eines Cannabis-Pilotprojektes zur legalen
Abgabe, bei der durch hohe Standards eine geregelte und qualitätsgesicherte
Distribution erfolgen kann, unterstützen. Zusätzlich dazu muss die
Entkriminalisierung des Mitführens von bis zu 30 Gramm Cannabis, sowie die des
Anbaus von bis zu drei weiblichen Cannabispflanzen erfolgen. Die genaueren
Richtlinien eines solchen Projekts halten wir im 2015 von der bündnisgrünen
Bundestagsfraktion eingebrachten Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes für gut
ausgestaltet und auf eine verantwortungsvolle Art und Weise angedacht.
Darüber hinaus fordern wir die konsequente Umsetzung des § 31a BtMG, nach dem
der Besitz illegalisierter Substanzen auf Grundlage des Eigenbedarfs in geringen
Mengen als strafrechtlich unbedenklich eingestuft werden kann, da sie aufgrund
des ausbleibenden Schadens für die Öffentlichkeit auch nicht in ihr Interesse
fällt.
Die Drogenpolitik eines Landes, die ihre Bürger*innen schützt, muss sich nicht
zuletzt auch an jenen orientieren, die unabhängig ihrer Motive auch weiterhin
von BtMG erfasste Substanzen konsumieren. Im Sinne einer „Harm Reduction“, bei
der die Gesundheit jeder Art von Drogenkonsument*innen als schützenswert
erachtet wird, fordern wir die Nutzung bestehender Möglichkeiten um einen
möglichst risikofreien Konsum ohne moralische Benachteiligung zu gewährleisten,
gerade auch weil Abhängigkeiten eine Rolle spielen können. Aus diesem Grund
fordern wir die Einrichtung sogenannter Drogenkonsumräume, die mit ihrer
Ausstattung vor allem opiatabhängigen Menschen helfen und
Rehabilitierungschancen deutlich steigern. Aber auch Freizeitkonsument*innen,
die unabhängig des Legalitätsstatus einer Substanz nicht auf deren Konsum
verzichten wollen, sollten nicht stigmatisiert werden und stattdessen mit einem
Drug-Checking-Programm die Möglichkeit bekommen den Reinheitsgehalt von
Substanzen zu überprüfen um keine Risiken durch die oft sehr gefährlichen
Streckmittel eingehen zu müssen.
Da unser Politikverständnis darauf basiert, dass politische Entscheidungen
bewusst und überlegt auf Grund von Fakten geschehen sollten, fordern wir zudem
die uneingeschränkte Zulassung von illegalisierten Substanzen in kontrollierter
Forschung um relevante und verwertbare Datensätze zu erstellen, die
beispielsweise die Entwicklung risikoärmer Derivate ermöglichen oder den Weg für
alternative Behandlungsmethoden für schwerwiegende Erkrankungen wie Alkoholismus
oder PTBS durch beispielsweise MDMA oder LSD ebnen könnten. Momentane
Erkenntnisse, wie die des „Independent Scientific Committee on Drugs“ und
Untersuchungen in den USA in den 60ern und 70ern legen nahe, dass hier enorme
Potenziale bestehen.
Begründung
Die moderne westliche Drogenpolitik ist nicht nur gescheitert, sondern auch unverantwortlich. Dies belegen zahlreiche Studien, etwa die stark beachtete von Werb et al. in der medizinischen Fachzeitschrift BMJ Open oder die des britischen „Independent Scientific Committee on Drugs“. Die Unterscheidung in legale und illegale Substanzen erscheint völlig willkürlich, sieht man sich an, dass es beispielsweise 2013 in der Bundesrepublik 121.000 Tabaktote gab. David Nutt, renommierter Experte auf dem Gebiet und zuvor im Dienst der britischen Behörde gegen den Drogenmissbrauch, die unter anderem Empfehlungen für eine Klassifizierung von Substanzen nach Gefahrenpotenzial ausgibt, sieht auf Basis seiner Erkenntnisse keinen Zusammenhang zwischen dem Schadenspotenzial von Drogen und ihrem Legalitätsstatus beziehungsweise ihrer Handhabe in der Politik. Neben dem Verlust an Glaubwürdigkeit der mit einer solchen politischen Agenda einhergeht, schließlich sollten sich politische Maßnahmen an ihrer Notwendigkeit und dem Nutzen für die Bevölkerung orientieren, wird durch die damit einhergehende Stigmatisierung der Substanzen ohne verwertbare Grundlage das Gegenteil dessen erreicht, was sich eine jede Drogenpolitik zum Ziel setzt. Die Abwendung von Schaden für die Bürger*innen scheint von geringerem Interesse als eine Ideologie, die Alkohol als Kulturgut definiert, und Cannabis und andere Substanzen als Gift diffamiert. In einer groß angelegten und von Wissenschaftler*innen in unterschiedlichen Bereichen durchgeführten, 2010 im Lancet veröffentlichten, Studie wurde eine Einschätzung 20 gängiger Substanzen nach ihrem Schädigungspotenzial (bis maximal 100) vorgenommen. Alkohol (72) wird hier in der Summe auf dem ersten Platz noch vor Heroin (55) geführt. Die in Deutschland als harte Drogen eingestuften Substanzen Psilocybin (6), LSD (7) und MDMA (10)rangieren auf den hintersten Plätzen, Konsument*innen allerdings werden durch geltendes Recht zu Straftätern gemacht. Auch eine Eigenmedikation bei bestimmten Krankheiten kann durch bis dato illegale Substanzen sehr erfolgreich sein, ist das System in dieser Hinsicht doch noch recht festgefahren. Aber Differenzierungen oder Verständnis gibt es in diesem Kontext nicht.
Abseits dieser Aspekte, die Konsument*innen von Cannabis das Recht einräumen würde, nicht nur Alkohol als Genussmittel zu sehen, gibt es auch ganz praktische Argumente für eine Legalisierung. Durch eine Enttabuisierung könnte ein erfolgreicherer, weil ehrlicherer Jugendschutz betrieben werden. Aufklärung und Prävention sind wichtig für die Sicherheit der Konsument*innen und können gerade in Brandenburg die Probleme mit bedenklicheren Substanzen wie Crystal Meth angehen, da eine am Schadenspotenzial orientierte Politik dieses nicht mehr mit Cannabis in einen Topf werfen würde. Vor allem jüngeren Menschen könnte eine Entkriminalisierung, die nicht länger unverhältnismäßige Folgen nach sich ziehen kann, in Zukunft nicht mehr Ausbildungschancen o.Ä. verbauen. Die legalisierte Abgabe von Cannabis würde insbesondere Jugendliche davon abhalten mit zwielichtigen Vertriebswegen in Kontakt zu kommen, die aus Gründen der Profitmaximierung das Schadenspotenzial außen vor lassen. So wird letztendlich der Zugang zu als besonders schädlich zu erachtenden Substanzen erschwert.
Die organisierte Kriminalität würde durch eine drogenpolitische Weiterentwicklung indes geschwächt, Schwarzmarktgeld für Cannabis oder solches für gestreckte Drogen (die von Konsument*innen besser identifiziert werden könnten) würde nicht mehr in kriminellen Kreisen zirkulieren, in denen Menschen ernsthaft gefährdet werden. Die ausbleibende Verfolgung durch die Polizei würde diese zudem entlasten, stellten sich doch bis August 2015 schon über 120 Strafrechtsprofessoren und der Bund Deutscher Kriminalbeamter gegen Verfolgung und Stigmatisierung. Der Staat darf die Bürger durch die Drogenpolitik nicht schädigen. Es ist deshalb notwendig, Schaden und Nutzen der Drogenpolitik unvoreingenommen wissenschaftlich zu überprüfen. Wir fordern daher, dass sich die Politik dieser Verantwortung bewusst wird und nicht mehr Schaden durch eine unüberlegte Drogenpolitik angerichtet als verhütet wird.